Als im Mai 1953 die junge Bundesrepublik den Beschluss zur Gründung eines eigenen Auslandsrundfunks fasste, fand man auf der Merscher Höhe oberhalb von Jülich das geeignete Areal für den Aufbau großer Kurzwellen- Richtantennen.
Innerhalb von drei Jahren konnte das Gelände erworben, erschlossen und bebaut werden – 1955 erfolgte die Grundsteinlegung und bereits am 1.4.1956 konnte der Sendebetrieb aufgenommen werden.
Die Programme wurden vom damaligen NWDR gestaltet, erst 1960 wurde die „Deutsche Welle“ offiziell eine selbständige Medienanstalt. Die Redaktion war in Köln ansässig, die Programme wurden von dort per fest geschalteter Studioleitungen an die Sendestelle in Jülich übertragen.
Der gesetzliche Auftrag bestand darin, die Bundesrepublik Deutschland im Ausland politisch, kulturell und wirtschaftlich darzustellen – entsprechend deutlich bildeten sich im Programm die politischen Auffassungen der Nachkriegszeit und die weltweiten Konfliktlagen der zu Ende gehenden Kolonialherrschaften und des Kalten Krieges ab.
Bei der Inbetriebnahme im April 1956 war die „Sendestelle Jülich“ die erste Großsendeanlage in Deutschland und sogar in Europa, sie verfügte damals über zwei leistungsstarke 100 Kilowatt Sender und 18 Antennen. Der technische Betrieb wurde unter dem Gesichtspunkt des seinerzeit geltenden Rundfunk- und Fernmeldemonopols ab 1.9.1961 von der damaligen Deutschen Bundespost, der späteren Telekom, abgewickelt, die Bauherrin und Eigentümerin der Anlage und zugleich Arbeitgeberin des technischen Personals war.
BILD 1 Grundsteinlegung
Bis 1993 wurde die Anlage stetig erweitert und umfasste im Endausbau 12 Sender und 36 Antennen. Die Antennen waren zwischen bis zu 100 m hohen Türmen gespannt und auf einem Gelände von ca. 35 ha mit 3 Armen von je ca. 1km Länge verteilt. Im Endausbau gab es 34 Antennentürme.
BILD 2 Antennentürme
Zu der Anfangszeit gab es kein Fernsehen, keinen Satellitenfunk, kein Internet, selbst Auslandstelefonate waren problematisch. Die Kurzwelle war deshalb das probate Medium, um Informationen in alle Welt zu verbreiten und auch von anderen Diensten weltweit zu empfangen. Weltempfänger waren beliebt und sehr verbreitet.
BILD 3 Kurzwellensender in den 1960er Jahren
In der Zeit des Kalten Krieges enthielten die Ausstrahlungen neben kulturellen und heimatbezogenen Themen in beträchtlichem Umfang auch politische Botschaften. Daher wurden Jülicher Ausstrahlungen oftmals gezielt von Sendern aus den damaligen Warschauer Pakt-Staaten gestört. Abgewehrt werden konnten die Störungen z.B. durch einen Frequenzwechsel auf die Aussendungen des jeweiligen Herkunftslandes der Störsender, die damit ihre eigenen Aussendungen störten.
Bild 4 Antennenarme und Verbreitungsgebiete
In den 1980er Jahren wurde die Anlage mit einem Kostenvolumen von 100 Millionen DM modernisiert, alle Sender wurden durch neuere Automatiksender ersetzt, Antennen wurden umgebaut und ein Prozessrechner sorgte für einen automatischen Betrieb. 1996 gab es die ersten digitalen Testaussendungen, die später zum DRM Standard führten, verbunden mit einer erheblichen Qualitätsverbesserung gegenüber der bisherigen analogen Aussendung.
Bild 5 Sendehalle mit Automatiksendern nach 1980
In den 1990er Jahren reduzierte die Deutsche Welle ihre Kurzwellenaussen-dungen und verließ die Station Ende 1996. In den Folgejahren bis 2006 wurde die Sendeanlage, die weiterhin im Eigentum der Deutschen Telekom stand, von zahlreichen privaten Rundfunkanbietern aus aller Welt weiter genutzt. Dabei wurden die Programme zunehmend über Satellitenempfang an die Station geleitet, um dann über die bewährte Kurzwellentechnik in alle Gegenden der Welt zum Empfang ausgestrahlt zu werden.
Im Jahre 2010 wurde die gesamte Sendeanlage an einen Investor veräußert, der die vorhandenen Sendemasten abbaute und verwertete, das Gelände danach aber der Stadt Jülich verkaufte. Die noch vorhandenen Gebäude wurden im Jahr 2022 ausgeräumt und abgerissen.
Bild 6 Gebäude der Sendestelle vor Abriss 2022
Eine Initiative ehemaliger Mitarbeiter und Funkamateure bemühte sich in Zusammenarbeit mit dem Jülicher Geschichtsverein darum, vorhandene Restbestände der alten Sendetechnik für eine künftige museale Präsentation zu sichern. Sie wird in Teilen auf dem Gelände des künftigen „Brainergy-Hubs“ zu sehen sein.
Evt. VIDEO Günter Hirte / Claus Günther Maas