Der Brainergy Park Jülich ist ein wichtiges Gemeinschaftsprojekt der Stadt Jülich mit den Gemeinden Titz und Niederzier. Die drei Bürgermeister Axel Fuchs (Vorsitzender) sowie Jürgen Frantzen und Frank Rombey (stellvertretende Vorsitzende) haben in diesem Jahr beim Brainergy Park die Spitze des Aufsichtsrats übernommen. Warum sie sich dazu entschlossen haben, wie sie auf das Jahr 2021 zurückblicken und welche Ziele sie bei der Ansiedlung von Unternehmen im „Gewerbepark der Energiewende“ verfolgen, das erläutern sie in einem gemeinsamen Gespräch, das an einem Abend Ende November 2021 im Großen Ratssaal in Jülich stattfand.

Herr Fuchs, warum haben Sie und ihre beiden Bürgermeister-Kollegen sich in diesem Jahr entschlossen, an die Spitze des Aufsichtsrats zu treten?

AXEL FUCHS

Wir hatten im vorigen Jahr eine Kommunalwahl mit dem glücklichen Ergebnis, dass ich und mein Freund Jürgen Frantzen in ihren Ämtern bestätigt wurden und mein Freund Frank Rombey ins Amt gewählt wurde. Nach der Wahl haben sich die Fraktionen neu geordnet und dann haben wir uns gefragt, wer die führenden Posten im Aufsichtsrat des Brainergy Park übernehmen kann. Wir hatten durch einen tragischen Todesfall unseres Aufsichtsratsvorsitzenden Peter Capellmann verloren, das tut uns heute noch weh.
Wir drei Bürgermeister sind uns einig, dass in einer so entscheidenden Phase, in der sich der Strukturwandel jetzt befindet, der Aufsichtsrat im Hauptamt geführt werden sollte. Ehrenamtlichen Aufsichtsratsvorsitzenden könnte einfach die Zeit fehlen, die wir aber für diese wichtige Aufgabe nun investieren müssen und können.

Herr Frantzen, wie hat sich der Brainergy Park aus Ihrer Sicht in diesem Jahr denn entwickelt?

JÜRGEN FRANTZEN

Wir haben uns nicht nur mit uns selber beschäftigt, indem wir den Aufsichtsrat neu konstituiert haben, sondern wir sind auch wesentliche Schritte weitergekommen. Letztes Jahr hat nur das TESS-Gebäude dort gestanden und wir sind über zwei alte Zufahrten, die zur früheren Sendeanlage gehörten, auf das Gelände gelangt. Heute ist bereits eine große Zufahrt von der L 241 sowie eine Ampelanlage gebaut worden. Auch im Gelände werden die Verkehrsflächen sehr bald fertiggestellt sein. Wir beschäftigen uns intensiv mit der Vergabe von Grundstücken und das Starter Gebäude ist so gut wie bezugsfertig. Dort zieht im Februar 2022 die Zukunftsagentur Rheinisches Revier ein. Ab dann ist der Brainergy Park die erste Adresse für den Strukturwandel im Rheinischen Revier. Wer also den Eindruck hat, wir hätten uns nur mit Denkmalfragen beschäftigt oder mit der Zusammensetzung des Aufsichtsrats, der sollte sich wirklich mal selbst die Flächen dort anschauen. Mit der gleichen Dynamik geht es jetzt 2022 weiter.

Herr Rombey, war das Jahr 2021 ein gutes Jahr für den Brainergy Park Jülich?

FRANK ROMBEY

Ganz sicher. Vor allem war es sehr spannend. Denn gerade im Brainergy Park können die Menschen jetzt schon den Strukturwandel greifen. Beim Richtfest des Starter Gebäudes, als NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart mit vor Ort war, sagte er, hier würde der Strukturwandel auch für ihn zum ersten Mal so richtig sichtbar. Wir sind bereits weit fortgeschritten, weil mein Vorgänger Hermann Heuser das Projekt bereits 2015 gemeinsam mit dem damaligen Jülicher Bürgermeister Heinrich Stommel und mit Jürgen Frantzen angestoßen hat. Das kommt uns jetzt zugute. Wir sind weiter als andere, aber wir werden diesen Vorsprung nur beibehalten können, wenn wir auch 2022 so gut wie bisher im Team zusammenarbeiten. Wir treffen uns auch regelmäßig mit den beiden Geschäftsführern des Brainergy Park, Professor Bernhard Hoffschmidt und Frank Drewes. Mit dem gesamten Team des Brainergy Park zu arbeiten, macht einfach unwahrscheinlich Freude. Wichtig ist, dass im Brainergy Park neue, innovative Arbeitsplätze geschaffen werden. Aber auch da sind wir auf einem guten Weg. Für den Verkauf von Grundstücken haben wir ein Vergabegremium eingesetzt.

Herr Fuchs, wie wichtig sind die drei Themen des „Gewerbeparks der Energiewende“ – also Erneuerbare Energien, Digitalisierung und Bioökonomie – bei der Vergabe der Gewerbeflächen?

AXEL FUCHS

Wir haben im Aufsichtsrat einen Kriterienkatalog beschlossen und diese Themen sind natürlich wichtig. Schaut man in die Vergangenheit des Brainergy Park zurück, dann wussten wir 2015, als mein Vorgänger Heinrich Stommel den „Letter of Intent“ zur Gründung des Brainergy Park unterzeichnete, noch nicht, mit welchen Themen wir uns zwei Jahre später beschäftigen würden. Doch Professor Marcus Baumann, der ehemalige Rektor der Fachhochschule Aachen, hat uns gesagt: Ihr könnt nicht am Standort Jülich ein einfaches Gewerbegebiet planen und nebenan habt ihr so wichtige Lehr- und Forschungseinrichtungen wie es sie sonst kaum anderswo gibt. Er meinte die Fachhochschule Aachen mit ihrem Standort Jülich, das Forschungszentrum Jülich und auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Die Frage der Energie ist die zentrale Frage unserer Zeit. Deswegen haben wir gesagt: Wir gehen diesen mutigen Weg und widmen uns genau diesen Themen, um die Arbeitsplätze, die es heute gibt, für morgen zu sichern und darüber hinaus neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Wird es dabei Unterschiede zwischen dem Kernbereich des Brainergy Park, dem Brainergy Village, und dem Brainergy Business Park geben?

AXEL FUCHS

Im Kernbereich wird es diese Konzentration auf die drei genannten Themen geben. Das schließt aber nicht aus, dass wir im Randbereich ganz normales Gewerbe ansiedeln werden. Das ist ein wichtiges Zeichen an die Menschen draußen und an die Unternehmerschaft hier im Rheinischen Revier, dass hier auch Arbeitsplätze entstehen, die nicht exklusiv an die Themen des Brainergy Park gekoppelt sind.

JÜRGEN FRANTZEN

Als wir 2015 diesen „Letter of Intent“ unterschrieben haben, ging jeder von einem Braunkohleausstieg in den späten 2040er Jahren aus. In der aktuell bevorstehenden Koalitionsvereinbarung in Berlin wird wahrscheinlich 2030 als Ausstiegsdatum stehen. Das heißt, es sind plötzlich nur noch acht Jahre. Deshalb müssen wir sehr schnell handeln. Der Brainergy Park muss dabei diverse Funktionen gleichzeitig erfüllen. Auf der einen Seite sind wir ein Leuchtturm für das gesamte Rheinische Revier, deswegen erhalten wir auch so viele Fördermittelbescheide, auf der anderen Seite fallen hier in weniger als zehn Jahren viele tausend Arbeitsplätze weg. Und deswegen müssen wir auch neue Arbeitsplätze für diese Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer schaffen.

Die bisherige Entwicklung des Brainergy Parks haben die drei beteiligten Kommunen übrigens unabhängig von Fördermitteln aus kommunalen Mitteln und Bürgschaften angestoßen. Dafür erwarten die Bürgerinnen und Bürger auch einen Benefit: Wir wollen, dass unsere Haushalte durch den Brainergy Park entlastet werden, wir wollen, dass unsere Schulen etwas davon haben und unsere Baugebiete. Wir müssen also viele gute Arbeitsplätze schaffen und die Grundstücke nicht unter Wert verkaufen. Außerdem sollen die Unternehmen, die sich hier ansiedeln, auch hier ihre Gewerbesteuer zahlen. Ich bin sicher, dass uns das gelingen wird. Deswegen wird nach 2030 jeder hier hinschauen und wissen wollen, wie wir das gemacht haben.

Dafür gehen die drei Kommunen finanziell in Vorleistung, zuletzt beim Gestaltungswettbewerb für den Brainergy Hub, das künftige Zentralgebäude des Brainergy Park …

AXEL FUCHS

Wenn man ein vernünftiges Ergebnis haben will, muss man manchmal auch ordentlich Geld in die Hand nehmen. Der Fördergeber hat uns dringend empfohlen, einen solchen Wettbewerb durchzuführen und dieses Geld war es auch wert, denn das Ergebnis ist wirklich einzigartig und das hat auch eine Strahlkraft für die gesamte Entwicklung des Brainergy Park.

JÜRGEN FRANTZEN

Wir sind in die Vorfinanzierung hereingegangen und da zitiere ich meine Oma:

„Man muss die Mäuse auch manchmal mit dem Speck fangen.“

Herr Rombey, soll im Brainergy Park denn auch produzierendes Gewerbe angesiedelt werden?

FRANK ROMBEY

Ja, absolut. Es fließt demnächst zu Recht sehr viel Strukturwandel-Geld in die Forschung, aber auch der normale Handwerksbetrieb muss die Möglichkeit haben, gegebenenfalls im Brainergy Park unterzukommen und dort zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist eine wichtige Aufgabe des Vergabegremiums in Zusammenarbeit mit den Geschäftsführern, in diesem Punkt eine Ausgewogenheit hinzubekommen. Hier muss beispielsweise auch ein Elektrobetrieb mit vernünftigen, gut bezahlten, tariflich gebundenen Arbeitsplätzen hinkommen können.

AXEL FUCHS

Es ist eine stetige Diskussion, wer sich im Brainergy Park ansiedeln soll. Es ist nicht gut, Forschung und normales Gewerbe gegeneinander auszuspielen, denn nach einer Faustregel produziert jeder wissenschaftliche Mitarbeiter anderthalb weitere Stellen – eine Stelle im handwerklichen Bereich und eine halbe Stelle in der Verwaltung, etwa im kaufmännischen Bereich. Da sieht man mal, wieviel Potenzial auch in dem wissenschaftlichen Ansatz im Brainergy Park vorhanden ist – allein nur auf diesen sieben bis neun Hektar, auf denen wir uns ausschließlich den Themen der Energiewende widmen.

Herr Fuchs, Anfang Dezember hat sich der Kreis Düren aus Anlass seines 50jährigen Bestehens offiziell in „Rurkeis Düren-Jülich“ umbenannt. Was bedeutet das für den Strukturwandel und für den Brainergy Park?

AXEL FUCHS

Ich begrüße ausdrücklich diese Initiative, kommt hiermit doch zum Ausdruck, dass der Kreis Düren sich aus dem Dürener und dem Jülicher Land, den ehemaligen Landkreisen Düren und Jülich, zusammensetzt. Blickt man auf die zukünftige Entwicklung des Kreises, spielt der Strukturwandel im Hinblick auf das feststehende Ende der Braunkohleverstromung und damit einhergehend der Tagebaue Hambach und Inden eine herausgehobene Rolle. Die Stadt Jülich bildet mit den hier ansässigen Forschungseinrichtungen von weit überregionaler Bedeutung einen zentralen Ankerpunkt. Die Umbenennung war ein historischer Tag für Jülich und das war auch ein positives Signal für den Brainergy Park.

Herr Fuchs, Herr Frantzen und Herr Rombey, wo sollte der Brainergy Park Jülich am Ende des Jahres 2022 stehen?

AXEL FUCHS

Für den ersten Bauabschnitt werden die Infrastrukturmaßnahmen abgeschlossen sein, das Containerdorf für das StartUp Village wird stehen und erste Bauarbeiten für das Brainergy Village werden auch schon sichtbar sein.

JÜRRGEN FRANTZEN

Die Erschließung ist fertig, die Zukunftsagentur ist eingezogen. Wir werden im nächsten Jahr viele, viele rote Bänder durchschneiden können.

FRANK ROMBEY

Wir werden auch im kommenden Jahr den einen oder anderen Förderbescheid erhalten, um die Projekte wie den Brainergy Hub realisieren zu können. Aber wenn wir mit dem gesamten Brainergy Park-Team in dem Tempo weitermachen, in dem wir im Jahr 2021 zusammengearbeitet haben, dann werden wir im kommenden Jahr ein sehr, sehr gutes Stück weiter sein.

Die Fragen stellte Walter Liedtke

(19.12.2021)